Aviäre Lausfliegen als Vektoren und mögliche Sentinelorganismen für Viren und Bakterien mit Zoonosepotential
Projektleiter: Prof. Dr. rer. nat. Matthias Jentzsch
Teilprojektleiter: Prof. Dr. med. vet. Markus Freick
Dr. rer. nat. Isabelle Vogt
Mitarbeiter: Stephanie Schröter
Sören Knipper
Institution: Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) Dresden
Fakultät Landbau/Umwelt/Chemie
Kooperationspartner: National Institute of Public Health and Environment, Niederlande
Fördermittelgeber: Diese Maßnahme wird mitfinanziert mit Steuermitteln auf
Grundlage des von den Abgeordneten des Sächsischen
Landtags beschlossenen Haushaltes
Laufzeit: 07/2020 – 12/2022
Dr. rer. nat. Isabelle Vogt
- PB 113
- +49 351 462 3055
Problemstellung
Arthropoden spielen eine wesentliche Rolle als Vektoren bei der Übertragung von Viren, Bakterien und Parasiten und können negative Auswirkungen auf die Gesundheit von Vögeln und Säugern einschließlich des Menschen haben (Bauerfeind et al. 2013). Während zumeist Stechmücken (Culicidae) und Zecken (Ixodidae) bei der Übertragung von Viren und Parasiten (z.B. Malaria) im Mittelpunkt der Forschung stehen (Bauerfeind et al. 2013, Beck & Pantchev 2009), blieben Lausfliegen (Hippoboscidae) bisher weitgehend unberücksichtigt, obwohl deren Wirtskontakt aufgrund ihrer dauerhaft parasitischen Lebensweise im Vergleich zu den Stechmücken intensiver ist. Lausfliegen gehören als Dipteren (Zweiflügler) zur Unterordnung der Brachycera (Fliegen). Weltweit sind bis heute 204 Lausfliegenarten bekannt, insgesamt 15 davon auch aus Deutschland (Müller 1999; Stuke 2014). Es handelt sich hierbei um blutsaugende Ektoparasiten, die auf Säugetieren, am häufigsten aber auf Vögeln vorkommen. Einige Arten besitzen ein breites Wirtsspektrum (Polyxenie), andere beschränken sich auf wenige (Oligoxenie) oder einzelne Wirtsarten (Monoxenie) (Büttiker 1994; Lucius & Loos-Frank 2008; Heidt 2009).
Besonders interessant bezüglich der Übertragung von human- und/ oder veterinärmedizinischen Viren und Bakterien sind dabei polyxen lebende Vogel-Lausfliegen, wie die Gemeine Vogellausfliege Ornithomya avicularia oder die Singvogellausfliege Ornithomya fringillina. Die große Wirtsvielfalt ermöglicht einen interspezifischen Austausch von Erregern, zumal die meisten Lausfliegen aufgrund ihrer Flugfähigkeit eine hohe Eigenmobilität besitzen. Hinzu kommt, dass sie aufgrund des Zugverhaltens einiger ihrer Wirte mitunter hunderte Kilometer weit transportiert werden können (Meissner et al. 2019, Schöne & Schmäschke 2015). Die auf Mauerseglern oder Schwalben vorkommenden Lausfliegen Crataerina pallida, Stenepteryx hirundinis und Ornithomya biloba besitzen hingegen ein eingeschränktes Wirtsspektrum, sind aber durch die Nähe ihrer Wirte zu menschlichen Siedlungen und Viehställen von besonderem Interesse. Krankheiten, welche möglicherweise auf diesem Weg übertragen werden, könnten bakteriellen aber auch viralen Ursprungs sein. Relevant aufgrund ihres hohen Zoonoserisikos für Mensch und Tier, ihres nachgewiesenen Vorkommens im Einzugsgebiet und ihrer Nutzung von Vögeln als Reservoir-Wirte sind dabei besonders Bakterien der Gattungen Bartonella, Rickettsia und Borrelia sowie die viralen Erreger West-Nil-Virus, Usutu-Virus und Sindbis-Virus.
Zielstellung und Projektinhalt
Ziel des Projektes ist es, mittels molekularbiologischer Methoden polyxen lebende Vogel-Lausfliegen sowie Mausersegler- und Schwalbenlausfliegen auf human- und veterinärmedizinisch bedeutsame Erreger zu untersuchen (Prävalenzstudie). Die Lausfliegen werden deutschlandweit in Zusammenarbeit mit den Vogelberingungsstationen und zahlreichen Einzelberingern gesammelt und an der HTW Dresden analysiert. Die Ergebnisse des Projektes sollen zu Hinweisen und Lückenschlüssen bei der Entdeckung und ggf. Eindämmung von human- und/ oder veterinärhygienisch relevanten Epidemien beitragen. Wenn gezeigt werden kann, dass aviäre Lausfliegen als Sentinelorganismen bezüglich der Verbreitung gesellschaftlich relevanter Erreger von Bedeutung sind, könnte in Zukunft beispielsweise deren gezielte Sammlung von wildlebenden Vögeln zum effektiven Monitoring der Entwicklung von Erregerprävalenzen beitragen. Außerdem könnte ein Früherkennungssystem bezüglich des Neu- oder Wiedereintrages eines Erregers in eine Region (z.B. durch Zugvögel) etabliert werden. Ähnliche „Frühwarnsysteme“ durch Untersuchungen an Stechmücken oder Zecken wurden bereits in der Literatur vorgeschlagen und diskutiert (Klaus et al. 2016, Cerutti et al. 2018). Das Vorhandensein eines solchen Monitoringsystems kann zur Sensibilisierung der Bevölkerung gegenüber potenziell zoonotischen Erregern beitragen und, falls notwendig, eine frühzeitige Einleitung von Maßnahmen ermöglichen. Von Vorteil ist hierbei, dass es sich um ein für die Wildvögel nicht invasives und damit tierschutzgerechtes Probenahmeverfahren handelt. Dabei werden neben den molekularbiologischen Erkenntnissen auch faunistische Daten zu Lausfliegen-Vorkommen gewonnen und ebenfalls ausgewertet.