Fakultät Landbau/Umwelt/Chemie

Liegende Fledermaus
Zwergfledermaus Urheber*in: Gilles San Martin Lizenz: https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0/ Quelle: https://www.flickr.com/photos/sanmartin/3204890442/in/photolist

Anleitung zur Rufanalyse

Die Arbeitsschritte

Wie könnte man also nun vorangehen, wenn man Fledermäuse anhand ihrer Rufe bestimmen möchte?
Im Folgenden schauen wir uns nun die Schritte der halbautomatischen Lautzuordnung an. Für diese Anleitung wird als Platzhalter, aus idealistischen Gründen und um es für alle Naturbegeisterte so niedrigschwellig wie möglich zu halten, ausschließlich kostenlose Software verwendet.

1. Vorbereitung
Im Unterpunkt "Hardware" werden einige verschiedene technische Geräte vorgestellt, die bei der Aufnahme von Federmausrufen zum Einsatz kommen können. Betrachtet bei Interesse die für Euch realistischen Möglichkeiten. Prüft auch gerne schon die Kompatibilität des Rekorders mit Eurem PC und der gewählten Software vorab, um späteren Frust zu vermeiden.

2. Ruferfassung
Das von Euch gewählte Gerät wird Euren Vorstellungen entsprechend ausgebracht. Wir gehen davon aus, dass Ihr Euren automatisch aufnehmenden Rekorder, (natürlich frisch geladen mit leerer Speicherkarte) mit expliziter Erlaubnis von Eurem Freund Bernd, gut mit Laub vor neugierigen Kleingärtner*innen getarnt, für drei Nächte in den Obstbaum seines Kleingartens gehangen habt. Das Mikrofon steht frei und ist nicht zu nah an Oberflächen, die Rufe reflektieren könnten (Hauswände, Baumstämme). Ihr beachtet außerdem dringend die Anleitung des Rekorders und stellt alles so ein, dass die Rufe in entsprechender Qualität ab entsprechender Schwellenüberschreitung aufgenommen werden können.
Notiert Euch dabei gerne auch Parameter zum Aufnahmeort, falls Ihr Euch über die Rufergebnisse vielleicht mit Expert*innen unterhalten wollt. Das könnten zum Beispiel folgende Infos sein: Koordinaten, Datum & Uhrzeit (falls das Gerät das nicht automatisch von selbst macht), Wetter (Temperatur, Wind etc.) & Besonderheiten zur Umgebung (z.B. an einem Gewässer, Park, Wohngebiet etc.).
Falls Ihr Schritt 2 komplett überspringen und einfach nur ein paar von jemand Anderem bereits aufgenommene Rufe bestimmen wollt, dann könnt Ihr diese Datensätze hier oder hier in Form von .wav-Dateien finden und direkt zum nächsten Schritt gehen.

3. Datenverarbeitung
Die diversen Detektortypen und Verfahren aus Tabelle unten spucken meist leider nicht ohne Weiteres die bestimmten Arten mit hundertprozentiger Wahrscheinlichkeit aus. Vielleicht ist die künstliche Intelligenz eines Tages so weit. Versuche, Projekte und Ansätze zur vollautomatischen Rufanalyse gibt es bereits. Bis dahin versuchen wir uns hier dehalb mit der halbautomatischen Variante.
Unter "Software" findet Ihr Programme die Ihr braucht, um aus dem mit dem Rekorder aufgenommenen Datensalat (im Optimalfall habt Ihr .wav Dateien aufgenommen) eine auswertbare Grundlage zu schaffen. Das ist die automatische Hälfte, daher der Name. Die andere Hälfte wird manuell durchgeführt.
Es werden beispielsweise Kaleidoscope und BatClassify installiert (falls mit Eurem Betriebssystem kompatibel und bitte auch jeweils die eigene Anleitung ansehen). Ersteres wirft Euch aus den aufgenommenen .wav Dateien alles an Geräuschen (noise) raus, was wahrscheinlich keine Fledermäuse sind. Letzteres klassifiziert automatisch die dabei übrig gebliebenen Rufe. Das geschieht manchmal nicht bis auf die Art, sondern gruppiert in Gattungen wenn nicht unterscheidbar voeinander. Diese solltet Ihr jedoch Stichprobenartig nochmal selbst überprüfen. Warum das so ist könnt Ihr unter anderem unter "Software" und "Die Grenzen der Methode" nachvollziehen.

4. Die Rufanalyse & Artbestimmung
Diese vom Computer geschaffene Grundlage lernt Ihr nun durch ein ausgewähltes Verfahren eigenhändig zu überprüfen. Das bedeutet, geeignete Fledermausrufe zur Analyse auswählen, Rufform betrachten, Frequenzparameter messen, Zeitparameter messen und so weiter...was das bedeutet und wie das funktioniert könnt Ihr mithilfe der Rufanalyseanleitung auf dieser Seite weiter unten lernen und anwenden.
Zusätzlich zur gewählten Anleitung, könnt Ihr natürlich jederzeit weitere Literatur recherchieren, ausprobieren und anwenden.

5. Ergebnisse einordnen
Mit dem Wissen aus den vorherigen Seiten, welche Euch erklären wie & wo Fledermäuse leben und wo man sie beobachten kann, könnt Ihr den von Euch vermuteten Arten naturräumlichen Kontext geben und Eure Ergebnisse einschränken, interpretieren sowie besser nachvollziehbar und begründbar machen. Dieser Schritt kann natürlich parallel zu Schritt 4 erfolgen. Die Grenzen dieser Methode findet Ihr hier weiter unten ganz am Ende dieser Seite.

Die eigentliche Anleitung

Ihr habt die oberen Schritte bis mindestens Schritt 4 ausgeführt, einen Rekorder ausgewählt, über ein paar Nächte (hoffentlich) Fledermausrufe aufgenommen, die Dateien bereits einmal durch Kaleidoscope und anschließend durch BatClassify gejagt und seid nun bereit Eure Dateien zu analysieren?

Das Bayerische Landesamt für Umwelt (BayLfU) hat zwei fantastische Anleitungen zur Bestimmung von Fledermausrufen herausgebracht. Sie bringen alles was man bei der Rufbestimmung beachten muss sehr gut auf den Punkt und vergleichen dabei mit anderer Bestimmungsliteratur. Daher werde ich die kostenlosen PDFs der beiden Anleitungen hier nun verlinken und ein wenig erklären.

Die große Seitenzahl mag vielleicht auf den ersten Blick abschreckend wirken, dies liegt aber daran das für jede Art eine Anleitung zur Rufbestimmung natürlich mit Bildern dabei ist und dies dementsprechend Platz einnimmt. Eine kurze Version einer Rufanalyseanleitung basierend auf älteren Versionen von teilweise der selben Literatur jedoch mit anderen, eigenen Bildern findet Ihr hier.
Der erste Teil enthält ungefähr 30 Seiten sehr wichtige Grundlagen, darunter auch wie man Fledermausrufe vermessen kann, worauf man achten sollte (z.B. Einstellungen bei den Geräten, Verwechslungsarten), welche Schwierigkeiten es geben kann und viele Begriffserklärungen mit visueller Untermauerung. Einige dieser Dinge habt Ihr bereits auf diesen Seiten kennengelernt.

Bestimmung von Fledermausrufaufnahmen und Kriterien für die Wertung von akustischen Artnachweisen: Teil 1 - Gattungen Nyctalus, Eptesicus, Vespertilio, Pipistrellus (nyctaloide und pipistrelloide Arten), Mopsfledermaus, Langohrfledermäuse und Hufeisennasen Bayerns

Bestimmung von Fledermausrufaufnahmen und Kriterien für die Wertung von akustischen Artnachweisen: Teil 2 - Gattung Myotis

Rufformen & Ruftypen

Die Rufe der Fledermäuse unterscheiden sich je nach Art vor allem hinsichtlich Lautstärke, genutzter Frequenzen, der Dauer und des Frequenz-Zeit-Verlaufs. Diese Unterschiede resultieren aus Anpassungen an die Jagdstrategie, an die Struktur des bevorzugten Habitats, an bestimmte Flug- und Verhaltenssituationen und an Art und Größe der Beute (siehe Thema Fledermausgilden). Die Lautstärke des Originalrufes anhand einer Aufnahme kann zwar nicht mehr rekonstruiert werden ist (außer man kennt den genauen Aufenthaltsort des Tieres bei jedem Ruf), können die übrigen Parameter aus den Signalen ermittelt werden.27

Wir benötigen für die Rufbestimmung die physikalischen Parameter einer Rufreihe. Für viele Messwerte existiert jedoch keine einheitliche Beschreibung. Viele Autor*innen verwenden die unterschiedlichen Bezeichnungen und Abkürzungen für denselben Messwert. Oder mit demselben Begriff sind unterschiedliche Parameter gemeint. Daher hier eine Übersicht der in Teil 1 (BayLfU 2020) verwendeten Definitionen:27

Begriffsdefinitionen zur Rufbestimmung:

F maxE Frequenz maximaler Energie (= Hauptfrequenz); Frequenz mit der meisten Energie über den gesamten Rufverlauf; wird im Spektrum ermittelt
F start Startfrequenz; Frequenz am Beginn des Rufes
F end Endfrequenz; Frequenz am Ende des Rufes
F min Minimalfrequenz; tiefste Frequenz im Rufverlauf; häufig fallen F min und F end zusammen
F max Maximalfrequenz; höchste Frequenz im Rufverlauf; entspricht meist der Startfrequenz
F knee Kniefrequenz; Frequenz am Übergang zwischen dem steileren Anfangsteil des Rufes und dem flacheren Hauptteil
F Mk Frequenz am Myotisknick; Knick am Ende der Rufe von Myotis-Arten, nach denen die Frequenz stark abfällt; hinter dem Knick schließt das sogenannte Myotisschwänzchen an
F c Charakteristische Frequenz; die niedrigste Frequenz im flachen Hauptteil des Rufes (bei schüsselförmigen Rufen ist hier die Steigung Null); falls am Ende des Rufes ein Auf- oder Abwärtshaken anschließt, liegt F c immer davor; nur bei qcf- oder fm-qcf-Rufen sinnvoll
B Bandbreite; Frequenzbereich, den der Ruf von der Maximal- bis zur Minimalfrequenz überstreicht, F max - F min
D Dauer; Ruflänge
Weitere Begriffe:  
frequenzmoduliert (FM) rasche Änderung der Frequenz mit der Zeit
frequentkonstant bzw. konstant frequente Laute (CF, constant frequency) über die Zeit bleibt die Frequenz gleich
quasi-frequenzkonstant (QCF) Ortungsfrequenz ändert sich über Zeit gering, steigt oder fällt wenig
Harmonische ganzzahlige Vervielfachungen der Grundfrequenz, im Sonagramm durch zwei oder mehr übereinander verlaufenden Frequenzverläufe erkennbar
Fast Fourier Transformation (FFT) schnelle Fourier-Transformation, bestimmter Berechnungsalgorithmus

Tabelle 3: Begriffsdefinitionen zur Rufbestimmung
Quelle: BayLfU (2020) & DIETZ & KIEFER (2014)


Fledermaus-Frage-Feld

Worauf muss man beim Aufhängen eines automatisch aufnehmenden Detektors achten?
Hinsichtlich welcher Eigenschaften unterscheiden sich die Rufe der Arten
Woher stammen diese Unterschiede?
Warum sind Begriffsdefinitionen auf dieser Seite und in der Rufanleitung des BayLfU (2020) aufgeführt?
Was bedeuten fm, cf und qcf?