Fakultät Landbau/Umwelt/Chemie

Rufende Alpenfledermaus in der Hand
Alpenfledermaus Urheber*in: Maxim Ludwig

Die Echoortung

What does the bat say?

Vereinfacht gesagt orientieren sich Fledermäuse in ihrer dunklen Umgebung, indem sie Ortungsrufe im Ultraschallbereich erzeugen und die wiederkehrenden Echos in ein räumliches Abbild ihrer Umgebung umwandeln. Sie verfügen dafür über ein besonderes Raumgedächtnis.12 Es wurde beobachtet, wie Fledermäuse noch nach der Fällung des Baumes die Stelle auf der Jagdroute umflogen4. Dabei werden jedoch nicht nur Objekte, sondern auch deren Oberflächenstrukturen und Formen erkannt5. Wenn man zum Beispiel einer im Garten umherjagenden Fledermaus ein kleines Steinchen hochwirft, dann fliegt diese mit einem fixen Richtungswechsel direkt darauf zu. Sie erkennt jedoch rechtzeitig, dass es sich nicht um ein Beutetier handelt und wendet ihren Flug wieder ab.2 Trotzdem bitte ich Euch, diesen Versuch nicht nachzumachen, hier findet Ihr wieso.

Ortende Hufeisennasen (Rhinolophidae) beispielsweise fliegen dem zurückkommenden Echo entgegen, dadurch wird die Anzahl der Schwingungen, die sie pro Zeiteinheit wahrnehmen, immer größer und der Ton entsprechend höher. Durch diesen sogenannte Doppler-Effekt*, benannt nach dem Physiker Christian Doppler, würde die Frequenz des Echos höher liegen als die der ausgesendeten Signale. Dabei besteht die Gefahr, dass das Echo nicht gehört werden kann. Der Effekt wird durch die Hufeisennasen jedoch ausgeglichen, indem sie die Rufe entsprechend auf einer tieferen Frequenz losschicken, damit die Echos genau die Richtige Frequenz haben. Wenn der Orientierungsruf nun auf ein stationäres Hindernis trifft, wird der Ton als reines Echo zurückgesendet. Bei fliegenden Insekten jedoch wird die Frequenz des Echos durch deren Flügelschläge moduliert.2
*Dieses Phänomen können wir im Straßenverkehr immer dann wahrnehmen, wenn ein Krankenwagen in unsere Richtung fährt, dabei sich die Frequenz und somit auch die Tonhöhe erhöht.

Die Anzahl der periodischen Schallschwingungen pro Sekunde nennt man Frequenz, diese wird in der Einheit Hertz (Hz) gemessen3. Fledermäuse können für den Menschen hörbare Laute mit einer Frequenz von unter 20kHz aussenden. Beispielsweise können die Ortungsrufe des Großen Abendseglers und der Fransenfledermaus für menschliche Ohren wahrnehmbar sein.3 Wenn man die eigenen Ohren noch nicht auf Wacken überstrapaziert hat, kann man oft in der Dämmerung am Dresdner Elbufer den Großen Abendseglern (Nyctalus noctula) lauschen.
Aber die Tiere senden auch Rufe, welche darüber und daher im Ultraschallbereich liegen. Diese Signale sind somit für uns nicht mehr wahrnehmbar.2 Die in Sachsen vorkommenden Fledermausarten verwenden für die Echoortung Frequenzbereiche von 18 bis 110 kHz. Die Reichweite dieser Rufe ist ebenfalls sehr unterschiedlich.12 In der Luft ist die Schallgeschwindigkeit beispielsweise nicht von der Frequenz oder dem Schalldruck abhängig, sondern ändert sich mit dem Feuchtigkeitsgehalt3. Die ausführlichen physikalischen Grundlagen zum Thema Schall und Echoortung könnt Ihr unter anderen in den faszinierenden Werken von R. SKIBA (2014) und J. RUSS (2021) im Detail nachlesen.

Mit den Ohren sehen

Für das Aussenden der Rufe pressen Fledermäuse Luft mit hohem Druck über die Stimmlippen. Die dabei entstehenden Schwingungen haben sehr hohe Frequenzen, da die Stimmlippen der Tiere klein und straff gespannt sind. Frequenzgefiltert und verstärkt werden die Rufe dann in Resonanzkammern, welche sich im Nasen- und Rachenraum befinden.5

Das rückkehrende Ultraschallecho wird dann mit den Ohren aufgenommen und anschließend im Gehirn ausgewertet. Dabei wird die Laufzeit, also die Entfernung, die Richtung, Größe, Form und Oberflächenstruktur des reflektierenden Gegenstandes miteinkalkuliert. Diese sogenannte aktive Ortung beinhaltet folgende Kategorien von Ortungszwecken:
Suchrufe im hindernisarmen Flug, Transferrufe (Ortungsrufe beim Flug zum Überwinden größerer Entfernungen z.B. beim Wandern), Suchrufe im hindernisreichen Flug und Fangrufe (beim Jagen).
Die hingegen passiv detektierenden, langsam fliegenden Fledermausarten besitzen meist große Ohren. Darunter zählt zum Beispiel das Braune Langohr (Plecotus auritus). Die Ohrengröße ermöglicht ihm dabei eine besonders gute Nahauflösung von strukturreichen Untergründen und Insekten.3
Hufeisen- (Rhinolophidae) und Rundblattnasen (Hipposideridae) wiederum verwenden ihre Nasen als schallaussendende Organe, nicht so wie die meisten anderen Arten. Dabei fungieren ihre Nasenaufsätze wie ein Sprachrohr, was den wesentlichen Vorteil hat, dass sich während der Nahrungsaufnahme weiterorientiert werden kann.4

Fledermäuse senden auch Sozialrufe aus, welche der Verständigung untereinander dienen. Diese müssen eine tiefe Frequenz haben, um eine besonders hohe Reichweite zu ermöglichen. Man kann dabei nach Balzrufen, Aggressions- und Abwehrrufen und Kontaktrufen unterscheiden.
Letztere werden beispielsweise zwischen Jungtieren und ihren Müttern beobachtet oder wenn Artgenoss*innen sich neue Quartiere zeigen wollen. Einige Arten kann man mithilfe der Sozialrufe besser und sicherer unterscheiden sowie bestimmen als anhand ihrer Ortungsrufe.3

Die Form folgt der Funktion

Fledermäuse finden sich auf ihrem Flug anhand von vorhandenen Landschaftselementen zurecht. Daher müssen ihre verschiedenen Lebensräume, wie ihre Quartiere, Balzplätze und Jagdhabitate räumlich miteinander vernetzt sein.
Dabei kann die Faustregel gelten, dass eine Fledermausart desto strukturgebundener fliegt, je geringer die Reichweite ihrer Ortungsrufe und desto besser sie im Manövrieren in Gebieten mit vielen Hindernissen ist.12

Der Zusammenhang zwischen der morphologischen Anpassung im Körperbau und an den Flügeln, den präferierten Jagdgebieten sowie der Echoortung kann mithilfe von fünf wesentlichen Gruppen, sogenannten ökologische Gilden, beschrieben werden.5
Die ökologische Gilde ist ein von R.B. Root im Jahre 1967 veröffentliches Konzept, das eine funktionelle Gruppe von Arten zusammenfasst, welche die gleiche Klasse von Umweltressourcen auf eine ähnliche Weise nutzt. Dies geschieht dabei unabhängig von ihrer taxonomischen Position (z.B. Art, Verwandheitsgrad etc.) während sie sich eine ökologische Nische teilen.14
Diese fünf Fledermausgilden umfassen folgende Begriffe und Typen:

Open space aerial foragers - Jäger des offenen Luftraumes Rufe sind oft tieffrequent, schmalbandig aber lang. Schmale Flügel für schnellen Flug, kurze kräftige Ohren & enganliegendes Fell.   Beispiel: Abendsegler (Gattung Nyctalus)  
Edge space aerial foragers - Jäger entlang von Kantenstrukturen,
erneute Unterteilung in:
Beispielsweise an Waldrändern oder über Wiesen. Sie müssen die Beute vor dem Hintergrund finden & Kollisionen vermeiden.      
-> Arten, die viele Meter Abstand vom Hintergrund halten Diese senden Laute mit frequenzmoduliertem Anfang & frequenzkonstantem Ende, oft zwischen 30 & 60 kHz.   Beispiel: Zwergfledermaus- & Langflügelfledermausarten (Pipistrellus pipistrellus & Gattung Miniopterus)  
-> Arten, die sehr viel näher an die Vegetation fliegen Verwenden dafür breitbandige frequenzmodulierte Laute, welche mit zunehmender Nähe an die Vegetation breitbandiger & steiler werden.   Beispiel: Mausohren (Gattung Myotis)  
Edge space trawling foragers - Arten, die niedrig über dem Wasser jagen & Beute von der Oberfläche fangen Frequenzmodulierte Laute mittlerer Bandbreite & meist flacher moduliertem Mittelteil.   Beispiele: Wasser-, Teich- & Langfußfledermaus (Myotis daubentonii, Myotis dasycneme & Myotis capaccinii letztere ist vor allem im Mittelmeerraum anzutreffen)  
Narrow space flutter detecting foragers - Arten, die innerhalb der Vegetation jagen Hohe Manövrierfähigkeit sowie breite & kurze Flügel daher vorausgesetzt. Lange konstantfrequente Laute, die fliegende Beute nahe der Vegetation ortet. Flügelschläge der Beute erzeugen charakteristische Echomodulationen, sogenannte "glints".   Beispiel: Hufeisennasen (Gattung Rhinolophidae)  
Narrow space passive gleaning foragers - Arten, die ebenfalls in der Vegetation jagen, diese jedoch vom Substrat ablesen Dafür werden der Seh- oder Geruchssinn genutzt sowie die Raschelgeräusche der Beute, da sie diese nicht mit der Echoortung vom Hintergrund unterscheiden können.   Beispiele: Bechsteinfledermaus, sowie Maus- & Langohren (Myotis bechsteinii, Gattung Myotis & Gattung Plecotus)  

Tabelle 1: Die Fledermausgilden
Quelle: DIETZ & KIEFER (2014)


Die Flugfähigkeit und das artspezifische Echoortungsvermögen ermöglichen zwar eine Zuordnung zu einer im Schwerpunkt besetzten nahrungsökologischen Nische, aufgrund der Anpassungsfähigkeit ist die Zuordnung zu einer der Gilden jedoch nicht ausschließlich zu verstehen13.

Ähnlich leistungsfähige Orientierung mittels Ultraschalls und Hörbild haben unter anderen auch Wale, Delphine und einige Vogelarten2. Dabei muss sich diese Art der Orientierung mehrfach und völlig unabhängig voneinander entwickelt haben4.
Diese aktive akustische Bildwahrnehmung wäre vielleicht passender mit dem Begriff „Echo-Bildhören“ zu beschreiben als mit „Echoorientierung“ oder „Echoortung“5.

Wie wir die Echoortung der Fledermäuse nutzen können, um sie zu beobachten oder gar zu bestimmen, schauen wir uns im Weiteren unter "Rufe begreifbar machen" genauer an. Und unter "Anleitung zur Rufanalyse" findet ihr Worte wie "frequenzmoduliert" in der Tabelle 3 "Begriffsdefinitionen zur Rufbestimmung" einmal erklärt.

Fledermaus-Frage-Feld

Erkennen Fledermäuse Oberflächenstrukturen ohne diese mit den Augen anzusehen?
Was beschreibt der Doppler-Effekt? Wie gleichen Fledermäuse diesen aus und warum?
Woran erkennen Fledermäuse ihre Beute?
Welche aktiven Ortungszwecke können & müssen Fledermausrufe erfüllen?
Nenne die Parameter, die das Gehirn der Fledermäuse vom rückkehrenden Echo kalkuliert.
Welche Fledermäuse können sich während der Nahrungsaufnahme im Flug weiterorientieren und warum?
Zähle verschiedene Arten von Sozialrufen auf.
Was beschreibt das Gildenkonzept im Bezug auf Fledermäuse? Unter welchen Bedingungen werden die Arten zusammengefasst?
Welche Arten fangen Beute von der Wasseroberfläche ab und wie nennt sich deren Gilde?