Referenten
Dirk Neumann, Wolfram John und Tassilo Neubert vom SRV mit den Referenten Alexander Schwager, Tobias Born, Johannes Dietz, Dr. Ruben Schreiter und Prof. Dr. Markus Freick (vrnl)

Saxony5-Rassegeflügeltag und Zuchtbuchtagung Sachsen - Wissenstransfer und Erfahrungsaustausch gaben Impulse für Tierzucht und Tiergesundheit

Bereits zum zweiten Mal organisierte der Sächsische Rassegeflügelzüchterverband e.V. (SRV) seine Zuchtbuchtagung in Kooperation mit der HTW Dresden im Rahmen des Transferverbundes „Saxony5“ der fünf sächsischen Hochschulen für angewandte Wissenschaften (HAW). Dieser gehört zum Bund-Länder-Programm „Innovative Hochschule“ und wird bei einer Projektlaufzeit von 2018-2022 durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und die gemeinsame Wirtschaftskonferenz (GWK) gefördert mit dem Ziel, den forschungsbasierten Wissens- und Technologietransfer und die interdisziplinäre Vernetzung zu stärken.

Am 11. September 2022 trafen sich über 80Rassegeflügelzüchterinnen und -züchter sowie Gäste und interessierte Geflügelhalter im Saal des Gasthofes „Zum Erbgericht“ in Langhennersdorf. Auf dem Programm standen fünf Fachvorträge und ein gemeinsames Mittagsessen zum individuellen Erfahrungsaustausch. Der Zuchtbuchobmann im LV Sachsen, Tassilo Neubert, eröffnete die Tagung und begrüßte die Teilnehmerinnen und Teilnehmer herzlich. Die Moderation des wissenschaftlichen Teils übernahm wiederum Prof. Markus Freick von der HTW Dresden, der das Projekt „Saxony5“ vorstellte sowie die konstruktive Zusammenarbeit zwischen dem SRV und dem Leipziger Rassegeflügelzüchterverein 1869 e.V. mit der HTW Dresden in den beiden EIP-Agri-Projekten „Sachsenhuhn“ und „Dresdnerhuhn“ hervorhob. Besonders begrüßte er Eberhard Schneider als langjährigen Vorsitzenden des KTZV „Elbtal“ (Dresden) und „Urgestein“ der Zwerg Dresdner-Zucht.

Der erste Referent, Dr. Ruben Schreiter, erläuterte dem Auditorium die „Ergebnisse der Legeperiode der Sachsenhühner und Deutschen Zwerg-Langschan in der sächsischen Hühnerleistungsprüfung“ und verglich diese mit den publizierten Resultaten früherer Studien zu Rassehühnern und Zwerghühnern. Neben den Merkmalen der biologischen Leistung (Eizahl, Eigewicht, Verlegerate, Futterverbrauch und Futterverwertung) ging er auf die Eignung von Exterieurmerkmalen als Hilfsmerkmale für die Legeleistung und den Tierwohlindikatoren bei den Prüftieren ein. Er konnte eindrucksvoll aufzeigen, dass die gemessene Kammhöhe der Sachsenhühner signifikant mit der Legeleistung zum Zeitpunkt der Messung assoziiert war und daher dieses Merkmal einen belastbaren Hinweis auf das Leistungsvermögen der Hennen geben kann, auch wenn wie in vielen Zuchten die Legeleistung auf Einzeltierebene unbekannt ist. Er mahnte an, leistungsfördernde Exterieurmerkmale bei leistungsbetonten Rassen stärker in der Selektion zu berücksichtigen, das Streben nach immer zarteren Kämmen und Kehllappen kritisch zu hinterfragen und in der Bewertung Nachsicht bei bestimmten Merkmalen bei legenden Tieren von Leistungsrassen zu üben.

Auch in diesem Jahr präsentierten zwei junge Wissenschaftler in der Rassegeflügel-Forschung die von ihnen erarbeiteten Ergebnisse. Tobias Born und Alexander Schwager, Studenten der Agrarwirtschaft an der HTW Dresden und selbst aktive Rassegeflügelzüchter,  referierten zu „Qualitätsmerkmalen von Hühnereiern – Wo liegen die Besonderheiten von Rassehühnern?“. Sie erläuterten die erfassten Merkmale der äußeren (Eiformindex, Bruchfestigkeit) und inneren Eiqualität (Eischalendicke, Dotterfarbe, Eiklarhöhe, Anteile Eiklar/Dotter/Schale, Auftreten von Blut- und Fleischflecken) und deren Bedeutung bei der Beurteilung von Bruteiern und der Vermarktung von Schaleneiern. Das Auditorium erhielt außerdem Einblicke über den Aufbau und die Funktionsweise der seit einigen Jahren an der HTW Dresden genutzten Eiqualitätsmessstrecke. Eine Besonderheit von Rassehühnereiern ist der höhere Anteil des wert- und geschmacksbestimmenden Dotters im Vergleich zu Hybridlinien. Als Problem in der Vermarktung kann allerdings die geringere Schalendicke und Bruchfestigkeit, insbesondere am Ende der Legeperiode, zutage treten. In der gemeinsamen Diskussion beider Vorträge wurde das sog. Brutei-Mindestgewicht thematisiert. Aus Sicht der biologischen Varianz dieses Merkmals und im Hinblick auf die Schlupfergebnisse kann es zukünftig zielführender sein, für die einzelnen Rassen ein Brutei-Idealgewicht mit einem Gewichtsbereich anstatt eines einzelnen Wertes zu definieren. Für zukünftige Hühnerleistungsprüfungen wurde empfohlen, neben klassischen Leistungsmerkmalen auch die Produktqualität (Eier, Fleisch) und Tierwohlindikatoren (Integument- und Brustbeinzustand) zu evaluieren, die Leistungserfassung einzeltier- oder züchterspezifisch zu konzipieren und durch regelmäßige Informationen an die Züchter diese gezielt in die Projekte einzubinden und Impulse für die Leistungsselektion zu geben.

Nächster Referent war Johannes Dietz von der Evonta-Technology GmbH (Dresden). Ein Teilprojekt innerhalb des EIP-Agri-Projektes „Sachsenhuhn“ war die Programmierung einer geeigneten „Software zur elektronischen Zuchtbuchführung in Rassegeflügelzuchten“, was von Evonta als Dienstleistung übernommen wurde. Basis dieses Werkzeugs ist die Open Source-Software APIIS, die bereits bei anderen Tierarten erfolgreich genutzt wird. Herr Dietz erläuterte die Problemstellungen und –lösungen bei der Anpassung der Software an die Belange der Rassegeflügelzucht und präsentierte die derzeit vorhandenen Menüstrukturen und Eingabemasken. Ziel der Software ist eine komfortable digitale Erfassung von tier- bzw. stammbezogenen Basis- und Leistungsdaten, die dann innerhalb des Zuchtbuchabteilungen der Landesverbände gebündelt und ausgewertet werden können, aber auch für das Monitoring tiergenetischer Ressourcen in Deutschland und Beantragung von Förderungen zur Verfügung stehen. Derzeit wird die Software noch um eine Schnittstelle zu den elektronischen Legenestern (eNest, entwickelt von Jens Bernhardt aus Penig/Sachsen), die auch in der Hühnerleistungsprüfung der HTW Dresden zum Einsatz kommen, ertüchtigt sowie um Optionen zur Erstellung von Reports und Diagrammen erweitert. Die Beta-Version befindet sich aktuell im Zuchtbuch Sachsen und an der HTW Dresden im Testeinsatz, wofür bereits die Zuchtbuchunterlagen der vergangenen drei Jahre durch Studierende digitalisiert wurden.

Den vierten Fachvortrag, „Aktuelle Impfempfehlungen für Rassetauben“ hielt Prof. Markus Freick. Schwerpunkte seines Vortrages waren der Taubentyp des Paramyxovirus, die Salmonellose der Tauben, Taubenpocken, Taubenrotavirus A sowie sowie Taubenherpes- und -circovirusinfektionen. Der  Taubentyp des Paramyxovirus  ist verwandt mit dem Erreger der Newcastle Disease (ND) der Hühnervögel.  Im Gegensatz zur ND bei Hühnern und Puten, gegen die in Deutschland eine gesetzliche Impfpflicht existiert, besteht diese bei der Paramyxovirose der Tauben nicht. Aufgrund der weiten Verbreitung des Erregers und der hohen Erkrankungs- und Todesraten in betroffenen Beständen ist eine Impfung jedoch unbedingt sinnvoll und Voraussetzung für eine Teilnahmen an Ausstellungen ebenso wie für eine Teilnahme an Wettflügen bei Brieftauben. Hinsichtlich der Salmonellose der Tauben besteht derzeit die Problematik, dass für Tauben zugelassene Impfstoffe nicht am Markt verfügbar sind. Hier können aber unter bestimmten Voraussetzungen Impfstoffe, die für andere Tierarten zugelassen sind, durch den Tierarzt umgewidmet werden. In der Praxis bewährt hat sich dabei insbesondere ein Salmonellose-Lebendimpfstoff für das Schwein nach entsprechender Verdünnung. Ein weiterer Schwerpunkt war die Impfung gegen das Rotavirus A der Tauben, das von einer Arbeitsgruppe des Friedrich-Loeffler-Instituts, der Tierärztlichen Hochschule Hannover und der Taubenklinik Essen kürzlich als Auslöser der klassischen Jungtaubenkrankheit bestätigt werden konnte. Seit diesem Jahr ist in Deutschland ein Kombi-Impfstoff gegen das Rota- und Paramyxovirus der Taube zugelassen, welcher gemäß Zulassung zweimal im Abstand von drei Wochen verabreicht werden muss. Die Immunität beginnt zwei Wochen nach Abschluss dieser Grundimmunisierung und dauert 8 Monate (Rotavirus A) bzw. 9 Monate (Paramyxovirus) an. Die Erfahrungen aus den letzten Jahren (Ausnahmegenehmigungen für aus dem Ausland importierten Impfstoff), v.a. im Brieftaubenbereich, sind durchweg positiv, wobei anzumerken ist, dass für Rassetauben der „Härtetest“ in Form von Ausstellungen in den letzten beidden Jahren durch die Corona-Pandemie weitgehend fehlte. In Betänden mit einer Taubenherpesvirusproblematik kann auch die Impfung gegen diesen Erreger sinnvoll sein, wobei veröffentlichte Daten zur Wirksamkeit bislang fehlen. Man setzt hier meist auf eine Impfung der Zuchttiere, um den Infektionsdruck im Bestand (Erregerausscheidung) zu senken und um Antikörper über den Dotter auf die Jungtauben zu übertragen (maternale Immunität) und damit frühe infektionen zu verhindern.

Den Abschluss des fachlichen Teils des Tagung bildete der Vortrag des Zuchtbuchobmanns Tassilo Neubert zu den „Leistungen von Rassegeflügel im sächsischen Zuchtbuch“. Diese sind online auf der Homepage des SRV abrufbar (https://www.srv-gefluegel.de/zuchtbuch-sachsen/zuchtleistungen/). Er berichtete weiterhin von der diesjährigen Tagung des Bundeszuchtbuches und gab einen Ausblick auf die Bundeszuchtbuch-Stammschau in Hannover sowie die Stammschau des SRV-Zuchbuches zur Lipsia-Bundesschau. Für letztere wird es aufgrund der guten Kassensituation im Zuchtbuch Sachsen für die Aussteller eine Standgeldrückerstattung geben. Die Ehrung mit der Bundesehrennadel in Silber wurde Uwe Weiß, 1. Vorsitzender des KV Plauen e.V., für seine züchterischen und organisatorischen Leistungen in der Rassegeflügelzucht zuteil. Die Laudatio hielt der Vorsitzende des SRV Wolfram John.

Dank gebührt allen, die zum Gelingen dieser Tagung beigetragen haben, insbesondere den Referenten, Prof. Dr. Knut Schmidtke (Leiter des Saxony5-Co Creation Lab „Landwirtschaft und Biodiversität“) und Nico Beier (Projektmanager Saxony5) für die finanzielle Unterstützung dieser gelungenen Tagung sowie allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern für die interessanten Diskussionsbeiträge.