Eine Wildbiene sitzt an einer Blüte
Dorothea Walz
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Wo sich Wildbienen am wohlsten fühlen

Wissenschaftler haben ein Modell entwickelt, das bundesweit die Eignung der Landschaft als Lebensraums von Wildbienen beschreibt.

Wildbienen sind bedroht. Aufgrund der immer intensiveren Nutzung unserer Kulturlandschaft, z.B. in der Landwirtschaft, den öffentlichen Grünflächen und privaten Gärten wird ihr Lebensraum vielerorts immer kleiner. Professor Ulrich Walz hat gemeinsam mit Wissenschaftlern vom Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung Dresden einen Indikator entwickelt, der die Nist- und Futterhabitate von Wildbienen darstellt und deren aktuellen Zustand dokumentiert. Die Daten wurden kürzlich in der Zeitschrift Naturschutz und Landschaftsplanung veröffentlicht. Im Interview erläutert der Professor für Landschaftsökologie, wie der Indikator zum Einsatz kommt und wie Bienen geschützt werden können.

Warum sind besonders Wildbienen für unser Ökosystem wichtig?

Insekten bestäuben Blütenpflanzen und erbringen damit einen Nutzen für Mensch und Natur. Diese „Ökosystemleistung“ hat enorme ökologische und ökonomische Bedeutung in Deutschland und weltweit. Bienen sind dabei unter den Insekten die wichtigsten Bestäuber. Neben den vom Menschen als Nutztier gehaltenen Honigbienen sind die Wildbienen, zu denen z.B. sowohl Hummeln als auch Solitärbienen gehören, ganz wesentlich an dieser Bestäubungsleistung beteiligt. So fliegen Hummeln beispielsweise bei tieferen Temperaturen als Honigbienen. Der beste Garant für eine Bestäubungssicherheit ist eine hohe Vielfalt an Wildbienen. Dies hilft vielen Wildpflanzen,  aber natürlich auch unseren Nutzpflanzen.

Welchen Unterschied gibt es zu den Honigbienen?

Honigbienen werden vom Menschen gehalten. Sie entwickeln Völker mit zum Teil mehreren 10.000 Arbeiterinnen und bauen regelmäßige Waben. Im Gegensatz dazu leben Wildbienen häufig in kleinen Völker mit nur wenigen Individuen oder solitär als einzelne Individuen. Wildbienen bauen keine vergleichbaren Waben, sondern legen ihre Nester z.B. im Boden, im morschen Holz, hohlen Pflanzenstängeln oder in Erd- und Mauerspalten an.

Was genau kann das von Ihnen entwickelte Rechenmodell aufzeigen?

Wildbienen sind von zwei Ressourcen abhängig – zum einen dem Vorkommen von Pollen und Nektar zur Nahrungsversorgung und zum anderen dem Vorkommen von geeigneten Kleinstrukturen als Nistmöglichkeiten. Daher haben wir versucht, genau diese Ressourcen aus räumlichen Daten abzuleiten und geschaut, ob diese auch nah genug beieinanderliegen. Vereinfacht gesagt, ob z.B. Waldränder, Wegeränder, Hecken etc. in ausreichender Dichte vorhanden sind.

Anhand welcher Daten haben Sie den Indikator entwickelt?

Der Indikator basiert auf dem Rahmenwerk von Zulian et al. (2013a), die das relative Bestäubungspotenzial auf europäischer Ebene bewerten. Für unseren bundesweiten Indikator haben wir detailliertere Daten der offiziellen deutschen Vermessungsverwaltung verwendet. Wir ergänzten das Landbedeckungsmodell (LBM-DE) von 2015 um kleinräumige Strukturen und Infrastrukturelemente wie Hecken, Baumreihen, Felsen, Bäche, Straßen, Bahnlinien und Wege aus dem deutschen topographisch-kartographischen Informationssystem (ATKIS).

Wo wird der Indikator angewendet?

Der Indikator kann genutzt werden, um im Rahmen eines Monitorings Erfolge von Anstrengungen im Sinne des Insektenschutzes auf Bundesebene abzubilden. Er zeigt den Handlungsbedarf zur Erhaltung von Lebensräumen und Trittsteinbiotopen auf. So lassen sich Schwerpunkträume erkennen, in denen die Landschaft mit insektenfreundlichen Strukturelementen aufgewertet werden sollte.

Wie sollten bienenfreundliche Landschaften gestaltet sein? Können Sie Beispiele nennen?

Wildbienenfreundliche Landschaften sollten möglichst reich strukturiert sein. Das betrifft sowohl die Verfügbarkeit von Blüten zu unterschiedlichen Zeitpunkten als auch das Nistangebot, das möglichst nahe an den Nahrungsflächen verfügbar sein sollte. Beispiele sind Kulturlandschaften mit einer hohen Dichte von Kleinstrukturen wie Säumen entlang der Feldwege, artenreichen Waldrändern, blütenreichen Wiesen und Böschungen. Aber auch in der Stadt können solche Flächen vorhanden sein, z.B. auf Brachflächen, in blütenreichen Gärten und auf extensiv gepflegten öffentlichen Grünflächen sowie Wege- und Straßenränder. Insofern spielen ganz unterschiedliche Landnutzer- und gestalter eine wichtige Rolle, z.B. wie pflegt der Waldbesitzer seine Waldränder, sind die Ackerflächen von Säumen, Rainen und Hecken durchzogen oder sind die Wiesen nur grün oder bunt von Blüten? Auch Straßenböschungen können sehr wichtige Lebensräume sein, wenn diese so gepflegt werden, dass sich blütenreiche Flächen entwickeln. Dort sollte es Bereiche geben,  die nur alle zwei Jahre gemäht werden.

Was kann jeder Einzelne für den Schutz von Insekten tun?

Mehr Wildnis im eigenen Garten oder in öffentlichen Grünflächen zulassen. Gut sind möglichst blüteneiche Flächen. Pflanzenstängel sollte man über den Winter stehen lassen. Auch offene Bodenflächen, z.B. an einer Böschung, sind wichtig.

Deutschlandkarte

Die Deutschlandkarte in der aktuellen Ausgabe des ZEIT-Magazins zeigt, wo sich Wildbienen am wohlsten fühlen. Die Karte basiert auf den in der Zeitschrift Naturschutz und Landschaftsplanung publizierten Daten: https://www.zeit.de/zeit-magazin/2021/32/wildbienen-lebensraum-deutschlandkarte

Publikation

Meier, S.; Walz, U.; Syrbe, R.-U. & Grunewald, K. (2021): Das bundesweite Habitatpotenzial für Wildbienen - Ein Indikator für die Bestäubungsleistung. – Naturschutz und Landschaftsplanung (NuL), 53 (6): 12-19.

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