Fakultät Geoinformation

Blick auf die eingestürzte Carolabrücke
Robin Ullrich
Bei der Überwachung der Carolabrücke kommen auch Tachymeter zum Einsatz
Erstellt von Pressestelle |

Wie Geodäten die Sicherheit von Bauwerken überwachen

Der teilweise Einsturz der Carolabrücke in Dresden hat gezeigt, wie unerwartet solche Großschadensereignisse wichtige Teile einer städtischen Infrastruktur lahmlegen können. Das Technische Hilfswerk prüft derzeit mithilfe geodätischer Sensorik die Brücke, um weitere mögliche Schäden vorherzusagen.

Da auch die weiteren Teile der Carolabrücke als einsturzgefährdet eingestuft werden, muss das Bewegungsverhalten der verbleibenden Strukturen überwacht werden. Die Bauwerksüberwachung bzw. das Monitoring ist ein typischer Aufgabenbereich der Ingenieurgeodäsie. An der Carolabrücke wird dies vom Technischen Hilfswerk (THW) ausgeführt. 

An der HTWD wird an der Fakultät Geoinformation im Studiengang Geomatik zum Thema Ingenieurgeodäsie gelehrt und geforscht. Wir haben Dr. Robin Ullrich von der Professur für Ingenieurgeodäsie gefragt, welche Rolle geodätisches Wissen beim Schutz von Bauwerken spielt. 

Wie läuft die Überwachung an der Carolabrücke ab?

Da das Monitoring samt Überwachungskonzept und Sensorik kurz nach dem Unglück realisiert werden musste, wurde auf Tachymeter zurückgegriffen. Die Instrumente arbeiten nach einem polaren Messprinzip, welches aufgrund von Distanz- und Winkelmessungen kartesische Koordinaten von Messpunkten erfassbar macht. Tachymeter eignen sich hervorragend für diesen Einsatzzweck, da sie flexibel und schnell einsetzbar sind, hohe Genauigkeiten aufweisen und durch ihre Motorisierung die Fähigkeit zur permanenten Messung diskreter Punkte bieten. Darüber hinaus können alle Messungen von außerhalb des Gefahrenbereichs ausgeführt werden.

Beim genauen Blick in die Umgebung des Unglücksorts findet man aktuell einige verteilt aufgestellte, autonom arbeitende Tachymeter sowie fest installierte Reflektoren. Letztere dienen der Bestimmung des Bauwerkverhaltens oder sind als stabile Referenzpunkte vorgesehen. 

Was passiert mit den gewonnenen Daten?

Die Daten der Tachymeter werden nach den Messungen direkt in eine Cloud übertragen und sind damit nahezu in Echtzeit online verfügbar. In einer Geomonitoring-Applikation werden die Daten gefiltert (bspw. auf Fehlmessungen geprüft) und zur weiteren Analyse aufgearbeitet. Im einfachsten Fall werden aus den Rohdaten die Bewegungen der signalisierten Punkte an der Carolabrücke abgeleitet oder statistisch gesichert innerhalb einer Deformationsanalyse berechnet. 

Anhand der Verteilung der Messpunkte und den zugehörigen Messdaten können Fachleute verschiedener Ingenieurdisziplinen auf das Bauwerksverhalten schließen. Sollten innerhalb kürzester Zeit große Punktbewegungen festgestellt werden, ist die Geomonitoring-Applikation zudem in der Lage, automatisiert Warnmeldungen zu versenden, um ggf. Gegen- oder Schutzmaßnahmen am bzw. um das Bauwerk einzuleiten.

Welche Bedeutung hat die Arbeit der Geodäten beim Schutz von Bauwerken?

Auch wenn es sich beim Teileinsturz der Carolabrücke um ein mehr als tragisches Ereignis handelt, zeigt es sich, wie wichtig Kompetenzen zur Auswahl von Sensorik, der Realisierung von Überwachungskonzepten und der Analyse von Messdaten auch in zeitkritischen Situationen sind. Obwohl die Bedeutung des Fachwissens dadurch zwar zu wenig bedeutsam repräsentiert wird, würden Geodäten heutzutage sicher vielerorts als sogenannte Enabler (Möglichmacher) bezeichnet werden. Mit den gewonnenen Messdaten legen sie anhand von Verhaltensindikatoren den Grundstein zur geometrischen Beschreibung des Messobjekts und versetzen andere Fachdisziplinen in die Lage, das Bauwerksverhalten zu bewerten. Die Messungen können demnach einen wichtigen Teilbereich des Risikomanagements darstellen.

Welche Kenntnisse müssen Geodäten haben?

Das Tachymeter ist bei weitem nicht das einzige Instrument, das den Bauwerkszustand messtechnisch erfassen kann. Die einzusetzende Sensorik und das Messkonzept werden je nach Bauwerk und den geometrischen sowie zeitlichen Anforderungen gewählt. Geodäten sollten deshalb in der Lage sein, je nach Anwendungsfall passende Messgeräte zu wählen und Messabläufe zu konzipieren. Um diese Entscheidungen treffen zu können, gehören neben den klassischen geodätischen Fragestellungen (bspw. Genauigkeit, Netzkonfiguration, Koordinatensystem, zeitliche Auflösung) heutzutage auch das Know-how zum Aufbau von Sensornetzwerken und ein grundlegendes technisches Verständnis zum Bewegungsverhalten des Bauwerks zum Wissenspool eines Geodäten.

An welchen Stellen kommen diese Überwachungsverfahren noch zum Einsatz? 

Grundsätzlich wird ein technisches oder natürliches Objekt Gegenstand einer messtechnischen Überwachung, wenn die Funktionssicherheit des Messobjekts hinsichtlich der öffentlichen Sicherheit zu gewährleisten ist. Dies trifft bspw. für Staubauwerke, Bergwerke, Türme, Tunnel oder Brücken zu. Darüber hinaus werden Überwachungsmessungen im Rahmen der Beweissicherung oder auch bei Belastungsversuchen durchgeführt. Ziel der Bauwerksüberwachung ist es im Allgemeinen, Verformungen oder Lageänderungen zu erkennen und diese im Vergleich zu den projektierten Kennwerten zu interpretieren.

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