Fakultät Geoinformation

Verlassene Städte in der Steppe: Rollen und Wahrnehmung von religiösen und militärischen Zentren der Frühen Neuzeit in der nomadischen Mongolei

Seit September 2019 untersucht ein mongolisch-deutsches Forschungsprojekt im Programm „Lost Cities“ der Gerda Henkel Stiftung Rollen und Wahrnehmung frühneuzeitlicher religiöser und militärischer Zentren in der nomadisch geprägten Mongolei.

Die Abwanderung der Menschen vom Land in größere Zentren, aber auch die gewaltsame Zerstörung von Siedlungen und Städten sind Phänomene, die die Weltgeschichte seit vielen tausend Jahren prägen. Parallel dazu entstehen schrumpfende und gänzlich verlassene Städte, sogenannte Lost Cities, vergessene Orte in ländlichen Regionen, deren ursprüngliche Bedeutung unterschiedlich fortwirken kann. Auch in der von nomadischer Lebensweise geprägten Mongolei finden sich solche verlassenen urbanen Plätze. Als frühere Zentren sesshaften Lebens leisten sie bis heute einen wichtigen Beitrag zur kulturellen Identität des Landes, den es zu genauer zu entschlüsseln gilt. Es sind das tradierte Hirtennomadentum, die Rezeption chinesischer und tibeto-buddhistischer Einflüsse und die kaum einhundert Jahre zurückliegende Staatsgründung als Volksrepublik, die dieses Feld im kulturellen Gedächtnis bestimmen.

Das Wissen über diese Zeit zu erweitern und ihr Fortwirken bis in die Gegenwart zu untersuchen, steht im Zentrum des neuen Forschungsprojektes. Dazu werden in einem interdisziplinären Ansatz ethnographische Forschung, archäologische Feldarbeit und Verfahren der Fernerkundung kombiniert. Um zu untersuchen, wie sich die Geschichte bis heute im Bewusstsein der lokalen Bevölkerung widerspiegelt, werden Interviews mit den Menschen vor Ort geführt und ausgewertet. Erste interdisziplinäre Feldarbeiten im September 2019 haben bereits neue Erkenntnisse zur Datierung der vermutlichen Militäranlagen, zu Baustrukturen klösterlicher Plätze und zur Wahrnehmung und Interpretation der Anlagen bei der lokalen nomadischen Bevölkerung erbracht.

Die Forschungen werden von der Gerda-Henkel-Stiftung im Rahmen des Förderschwerpunktes „Lost Cities – Wahrnehmung von und Leben mit verlassenen Städten in den Kulturen der Welt“ seit 2019 gefördert. Besonders hervorzuheben ist die Förderung von drei Nachwuchswissenschaftler*innen durch Forschungs- und Promotionsstipendien (Enkhtuul Chadraabal, Archäologie und Bauforschung; Jonathan Ethier, Archäologie; Dr. Christian Ressel, Mongolistik) innerhalb des Projektes. Projektpartner sind die Mongolische Akademie der Wissenschaften (Prof. Dr. Chuluun Sampildonov), die Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (Prof. Dr. Henny Piezonka), die Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden (Prof. Dr. Martin Oczipka) sowie Dr. Birte Ahrens (Bonn). Eine intensive Zusammenarbeit besteht auch mit dem Deutschen Archäologischen Institut (Dr. Christina Franken).