Fakultät Geoinformation

Paradigmen, Funktionalität und Validierung der 3D-Koordination mit BIM und GIS

Masterarbeit von Ingmar Richter (2025)

Die interoperable Nutzung von Daten aus geografischen Informationssystemen (GIS) und Gebäudemodellen, die mit der BIM-Methode erstellt wurden, stellt eine große Herausforderung dar. Aufgrund der unterschiedlichen konzeptuellen Modellierung von BIM- und GIS-Daten, können diese oft nicht oder nur eingeschränkt innerhalb eines gemeinsamen 3D-Modells verwendet werden. Durch die zunehmende Digitalisierung und die Kollaboration verschiedener Branchen und Firmen an gemeinsamen Projekten, wächst die Nachfrage nach einer Harmonisierung der beiden Konzepte und einer Verbesserung der Interoperabilität. Inwieweit die Hürden der Integration dieser heterogenen Modelle von sogenannter Kollaborationssoftware aktuell überwunden werden können, wird in dieser Arbeit untersucht. In den letzten Jahren wurde die Thematik der BIM-GIS-Integration sowie die dazugehörigen Potentiale und Herausforderungen im Rahmen von verschiedenen wissenschaftlichen und berufspraktischen Publikationen untersucht und aus der Sicht verschiedener Branchen erläutert. Die darin diskutierten Paradigmen dieses Sachverhalts bilden hierbei den Grundlagenteil. Das Hauptziel dieser Arbeit besteht darin, die in den Publikationen diskutierten Soll-Anforderungen anhand von skalierten Beispieldaten innerhalb von bereits verfügbaren Kollaborationssoftware-Lösungen zu testen und mit den tatsächlichen Software-Funktionen zu vergleichen. Im Ergebnis wird geprüft, inwieweit die Integration von Gebäudemodellen und geografischen Informationen bereits umsetzbar ist und welche Herausforderungen zukünftig noch zu bewältigen sind. 

Das Ergebnis der Recherche ist ein Katalog mit konkreten Anforderungen an die Software, welche durch die Schlüsselwörter „muss“, „soll“ und „sollte“ hinsichtlich ihrer Wichtigkeit klassifiziert sind. Dieser Katalog stellt die Basis der praktischen Tests an den testeten Programmen DESITE BIM, Speckle (AEC HUB) und Esri GeoBIM dar. Die Anforderungen basieren auf den in den Publikationen diskutierten Hürden, Barrieren und Potentialen, welche bei der Integration von BIM und GIS derzeit bestehen. 

Sie werden in den folgenden Anforderungskategorien zusammengefasst:

  • semantische Integration und Softwarekompatibilität
  • Georeferenzierung
  • Metadaten
  • geometrische Repräsentation und Topologie
  • Vollständigkeit der Daten
  • Produkthandhabung und Performance
  • aktive und gut vernetzte Community

Die von den Anforderungen abgeleiteten praktischen Testfälle werden anhand von Beispieldaten des Gebiets um die HTW Dresden umgesetzt und validiert. Der Fokus liegt dabei auf der Integration verschiedener relevanter Formate von GIS- und BIM-Daten, welche mithilfe  der Kollaborationssoftware in ein einheitliches Modell überführt werden. Die Anforderung werden durch die Umsetzungen der praktischen Testfälle überprüft und in Ergebnistabellen dargestellt. Anhand dieser Tabellen kann nachvollzogen werden, inwieweit die jeweilige Software die einzelnen Formate und die gemeinsame 3D-Koordination der Daten unterstützt, welche Funktionen dafür bereitgestellt werden und welche Probleme auftreten.

Die Softwaretests haben gezeigt, dass die „muss“-Anforderungen in großen Teilen von der getesteten Software erfüllt werden, aber dass es insbesondere bei der Übertragung von Informationen noch signifikante Lücken gibt und Attribute teilweise durch interne ersetzt werden. Jede Software erfüllt die Anforderungen individuell, verglichen mit den anderen getesteten Anwendungen. Im Schnitt hat sich gezeigt, das DESITE BIM und Speckle (AEC HUB) derzeit stärker für BIM ausgelegt sind. BIM Modelle werden i.d.R. gut integriert, symbolisiert und die relevanten Attribute und Parameter korrekt übernommen. Die geometrische Repräsentation der Daten ist meistens optisch korrekt, allerdings lassen sich die zugehörigen Parameter zum Teil nicht abrufen. Modellgliederungen und die Topologie der Daten wird für einige Formate korrekt und unverändert und für andere Format gar nicht übernommen oder von der Software neu interpretiert. 

Da GeoBIM keine direkte Zusammenführung der Daten unterstützt, sondern nur die BIM- und GIS-Daten in separaten parallelen Viewern darstellt, unterscheidet sich die Anwendung von den anderen beiden. So werden die kompatiblen Formate für BIM und GIS korrekt und unverändert dargestellt. Außerdem lassen sich die originalen Parameter und Attribute in den Stammanwendungen ArcGIS Online (GIS) und Autodesk Construction Cloud (BIM), aus denen die Modelle importiert werden müssen, vollständig abrufen. Während diese Informationen für BIM auch innerhalb der GeoBIM-App eingesehen werden können, werden die GIS-Daten hauptsächlich als visuelles Modell integriert und die vollständige Attribuierung muss über ArcGIS Online oder eine andere geeignete GIS-Software ermittelt werden. 

Im Bezug auf die recherchierten Probleme und Hürden der letzten Jahre, lässt sich ein klarer Fortschritt für diese Thematik erkennen. Eine zukünftige Weiterentwicklung von standardisierten Prozessen und Formaten (insbesondere offenen Formaten) würde erhebliche Vorteile bringen, um die Lücke zwischen BIM und GIS weiter zu schließen und die Prozesse zur Verwendung verschiedener Autorensoftwaresysteme und Datensätze effizienter zu gestalten. Die getestete Kollaborationssoftware stellt hierfür schon eine vielversprechende Basis dar, welche perspektivisch noch erweitert und optimiert werden muss, um den Anforderungen des Anforderungskataloges vollständig zu entsprechen.