Fakultät Landbau/Umwelt/Chemie

Fledermausschwarm im Sonnenuntergang
Urheber*in: USFWS/Ann Froschauer Lizenz: https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/ Quelle: https://www.flickr.com/photos/usfwshq/9415984696/in/album-72157634888764844/

Über die Lebensweise

Besondere Wesen mit besonderen Fähigkeiten

Die Säugetiergruppe der Fledermäuse gehört, gemeinsam mit den Flughunden, zur Ordnung der Fledertiere (Chiroptera). Bei diesen sogenannten Handflüglern (von griechisch für Cheir = Hand und Pteron = Flügel)3 erstreckt sich die Flughaut zwischen den stark verlängerten Fingern und dem Bein meistens bis zum Schwanz4 und ist mit dem Körper verbunden. Sie bilden somit die einzige Gruppe der Säugetiere, welche die Fähigkeit zum aktiven Flug besitzt. Dies unterscheidet sie von Gleitern wie zum Beispiel den Flugbeutlern, Riesengleitfliegern und Flughörnchen5.

Mit über 1000 Arten weltweit bilden die Fledertiere nach den Nagetieren die zweitartenreichste Ordnung unter den Säugetieren4. In Europa kommen ungefähr 50 Fledermausarten vor7, von diesen 25 in ganz Deutschland8 wobei davon wiederum aktuell 22 in Sachsen nachgewiesen wurden9.
Bis auf die Antarktis haben sie mit ihrer Vielgestaltigkeit fast alle Kontinente und Lebensräume der Erde besiedelt5. Diesen Artenreichtum verdanken sie sicher ihrer Flugfähigkeit und Spezialisierung4. Denn einmalig unter den Landtieren verfügen die Fledermäuse über die Fähigkeit sich mittels Ultraschall-Echoorientierung zurechtzufinden. Sie besitzen somit die Begabung, sich in der Nacht unabhängig vom Tageslicht zu orientieren. Dabei sind sie nicht nur in der Lage, Hindernisse zu vermeiden, sondern auch ihre Nahrung im Flug zu erkennen und zu erfassen.1 Mithilfe dieser Fähigkeit füllen sie eine fast konkurrenzlose, gefahrenarme und nahrungsreiche sogenannte ökologische Nische aus.
Wobei es auch Arten gibt, die sich ausnahmsweise tagsüber auf Beutejagd begeben.3 Und welche, die ebenfalls ihre Augen bei der Jagd einsetzen1.

Kopfüber im Energiesparmodus

Fledermäuse können mit minimalem Kraftaufwand durch eine Verdrehung des Beines im Kniegelenk nach oben und außen über Kopf hängen. Dabei ist der Fuß der Fledermaus nach hinten verdreht und allein durch das Eigengewicht mittels eines speziellen Sperrmechanismus werden die Krallen gekrümmt und sorgen für ein sicheres Hängen. Diese Effizienz spart wertvolle Ressourcen und ist vor allem im Winterschlaf von hohem Vorteil. Der schnelle Abflug wird den Tieren ermöglicht, indem sie sich aus ihrer kopfüber hängenden Position einfach fallen lassen. Viele Arten können aber auch liegen, so zum Beispiel das Mausohr. Es kann sich bei der Jagd flink auf dem Boden fortbewegen und anschließend mit einem Sprung wieder von unten in die Luft emporsteigen.5

Um ebenfalls Energie zu sparen, gleichen Fledermäuse ihre Körpertemperatur an die Außentemperatur an. Diese Regulierung nehmen sie in Tages- als auch in Winterquartieren mit Niedrigtemperaturen vor. Dadurch wird der Stoffwechsel verlangsamt und die Tiere können somit die Perioden im Jahr, an denen keine Nahrung zur Verfügung steht, überleben.3 Dieser physiologische Prozess wird auch Tageslethargie oder Torpor genannt5. Die Tiere verstoffwechseln dann die vorher angespeicherten Fettreserven12.

Die Nahrungsaufnahme

Während die Fledermäuse der gemäßigten Breiten fast ausschließlich Insekten und andere Gliederfüßer fressen12, gibt es unter den Fledermäusen der Tropen auch beispielsweise Fleisch-, Früchte- und Blattfresser1. Andere Arten haben sich wiederum auf den Fischfang spezialisiert, ernähren sich von Blut oder verzehren wie ein Kolibri im Schwirrflug Nektar und Blütenpollen5. Sie zählen dabei zu den wichtigsten Bestäubern einiger tropischer Pflanzen1 und spielen dort ebenfalls eine zentrale Rolle beim Verbreiten dieser durch das Verschleppen von Samen6. Wir wollen in unserer weiteren Betrachtung aber mal bei den uns heimischen Arten bleiben.

Wälder, Gewässer, gehölzreiche Siedlungen und Siedlungsränder, sowie Wiesen, Weiden und abgeerntete Äcker zählen zu den Jagdgebieten der mitteleuropäischen Fledermäuse. Abwechslungsreich strukturierte Gebiete, die eine große Menge Insekten dauerhaft anbieten, werden von den Arten und Individuen bevorzugt.12
Je nach Jagdnacht beträgt der Bedarf an Nahrung für Fledermäuse etwa ein Viertel bis ein Drittel ihres Körpergewichtes. Die Abendsegler (Nyctalus) benötigen zum Beispiel 10-15 g an Insekten pro Nacht. Bei einer Wasserfledermaus (Myotis daubentonii) wären es von Frühjahr bis Herbst ca. 80.000 Insekten, welche sie verspeisen müsste.3 Wenn man, zum Beispiel anhand von Kotuntersuchungen, die Beutespektren der verschiedenen Arten untersucht, werden dabei auch die Spezialisierungen im Hinblick auf diversen Jagdstrategien deutlich. Pflanzenreste sind beispielsweise ein Zeichen dafür, dass die Art bei der Nahrungsaufnahme entweder der Vegetation nahekommt oder diese direkt vom Laub oder Pflanzen am Boden abgesammelt hat.1

Wo wohnen Fledermäuse?

Fledermäuse bauen keine Nester. Um trotzdem vor für sie ungünstige Witterungsbedingungen, wie Kälte, Regen und Zugluft aber auch vor Feinden und anderen Störungen geschützt zu sein, benötigen europäische Fledermäuse daher vorhandene Strukturen als Quartiere.2
Diese sollten auch Raum für soziale Interaktionen sowie die Bildung einer Kolonie bieten10.
Es wird vermutet, dass die Nutzung von Höhlen als Tagesquartier die Anpassung an die Nacht mithilfe der Echoortung in der Evolutionsgeschichte der Fledermäuse hervorgebracht hat. Dunkle Höhlen schützen am Tag vor Räubern, die ihre Augen zur Orientierung benötigen und bieten somit einen geeigneten Zufluchtsort.1

Bei den einheimischen Fledermäusen lassen sich drei Grundtypen an Quartieren finden. Die Höhlen- und Baumhöhlenbewohner und die Spaltenbewohner. Dabei ist aber im Laufe des Jahres ein Typenwechsel möglich. Durch die menschliche Bautätigkeit besiedeln mittlerweile Höhlenfledermäuse des Mittelmeerraumes unsere Dachböden und auch andere ehemalige Waldbewohner zogen in den Siedlungsbereich, um dort neue Quartiere zu finden.5

Der Jahreszyklus der Fledermäuse

In den gemäßigten Breiten ist der Jahresrhythmus der Fledermäuse eng mit dem Jahreszeitenwechsel und dem daraus resultierendem Angebot an Nahrungstieren verflochten11. Hinsichtlich des Klimas hat jede Art jedoch ihre eigenen Ansprüche3 und die meisten haben für ihre Grundbedürfnisse verschiedene Orte, um deren Erfüllung nachgehen zu können. Die Lebensräume werden nach ihrer biologischen Funktion und unterschiedlichen Zwecken unterschieden.2 Fledermäuse nutzen dabei ihre Quartiere saisonal11. Dabei gibt es zwei Haupttypen, das Winterquartier, sowie die  Sommerquartiere, welche Tages- und Zwischenquartiere, Wochenstubenquartiere und Paarungsquartiere beinhalten.2Einige Autor*innen unterscheiden beschreiben ebenfalls noch sogenannte Schwärmquartiere.
Wie unterschiedlich die jeweiligen Lebensweisen der verschiedenen Fledermausarten sind, zeigt auch ihr Verhalten, wenn es um das saisonale Wechseln der Quartiere im Laufe des Zyklus geht.

Teich- und Wasserfledermaus (Myotis dasycneme und Myotis daubentonii) beispielsweise reisen zwischen 100 km und 300 km bis zu ihrem nächsten Winterquartier. Langstreckenzieher, wie der Kleine und der Große Abendsegler (Nyctalus leisleri und Nyctalus noctula), die Zweifarbfledermaus (Vespertilio murinus) und die Rauhautfledermaus (Pipistrellus nathusii), hingegen überqueren teilweise Meere und legen regelmäßig zwischen Frühjahr und Herbst über 1000 km zurück. Die ortstreuen Arten wechseln währenddessen jediglich die Nachbarschaft oder verweilen gar am selben Ort.3
Zwergfledermäuse (Pipistrellus pipistrellus) beispielsweise können im inneren einer Kirche, hinter Grabplatten oder in den Rissen der Mauer Winterschlaf halten und dann anschließend im Kirchenschiff oder den Außenwandspalten die Tagesquartiere beziehen. Eine von Außen zugängliche Spalte hinter der Brettverschalung des Kirchturms kann als Wochenstube fungieren, wobei die Paarung wiederum in den Tagesquartieren derselben Kirche geschieht.2

Winter
In ihrem Winterquartier, während der insektenarmen Periode zwischen Oktober und April, halten Fledermäuse ihren Winterschlaf ab11. Dort sind oft sogar verschiedene Arten in großer Anzahl an einem Ort vereint2.
Die Tiere benötigen dafür frostfreie, kalte unterirdische Quartiere mit hoher Luftfeuchtigkeit. In diesen speziellen mikroklimatischen Bedingungen können sie die Zeit in tiefer Lethargie überstehen, während sie Stoffwechsel und Körpertemperatur stark drosseln.11

Arten mit hoher Kälteresistenz überwintern oberirdisch, andere ziehen Richtung Südwesten11. Dabei verkriechen sie sich nicht nur gerne in Spalten und Rissen, sondern hängen auch einzeln oder in energieeffizienten Gruppen, einem sogenannten Cluster, kopfüber an Decken und Wänden. Aber auch in Holzstapeln, Kammern in Talsperren und Autobahnbrücken, Kellern, Brunnen, Hauskaminen und hinter Fassaden lassen sich die Tiere nieder.3
In Sachsen kommen für die Überwinterung besonders ehemalige Bergwerksstollen und Kalkwerke in Frage. Aber auch Baumhöhlen und Felsspalten der Sächsischen Schweiz und des Zittauer Gebirges werden von einigen genutzt.12 Es gibt jedoch auch Arten, die an wärmeren Winterabenden auf Jagd gehen oder das Schlafquartier wechseln5.

Frühling
Nach Ende des Winterschlafes im Frühjahr wird dann, meist artgetrennt, das Tages- oder Zwischenquartier bezogen. Jede Nacht wird von dort aus das Jagdrevier aufgesucht.2
Zwischenquartiere sind Orte, an denen sich Fledermäuse oft nur wenige Tage oder Wochen aufhalten, übergangsweise auf der Reise vom Winterquartier bis zum Sommeraufenthaltsort2. Das könnten beispielsweise Baumhöhlen sein, welche bei Schlechtwetter oder auf der Durchreise für eine Nacht, aber ansonsten kaum von Fledermäusen genutzt werden.10

Sommer
Zwischen Mitte April und Anfang Mai schließen sich die Fledermausweibchen in Wochenstuben zu Gesellschaften zusammen. Diese Wochenstubenkolonien können je nach Art aus bis zu mehreren hundert Tieren bestehen12.
An diesem Ort werden die Jungen geboren und gemeinsam aufgezogen. Die Männchen leben in der Zeit meist allein oder in Gesellschaften in ihren Tagesquartieren. Auch die Tiere in den Wochenstuben besuchen während dieser Zeit nahrungsreiche Gebiete als Jagdreviere in einem artspezifischen Aktionsradius. Dieser kann, wie bei der Bechsteinfledermaus ein bis zwei, oder wie beim Großen Mausohr (Myotis myotis) über 20 km betragen. Aber auch die räumliche Verteilung der Jagdgebiete sowie saisonale Änderungen, wie beispielsweise die Mahd oder das Verhalten von Insektenschwärmen, spielen eine wichtige Rolle.2
Ungefähr vier bis sechs Wochen nach der Geburt sind die Jungtiere flugfähig und beginnen mit der selbständigen Jagd. Dann lösen sich die Wochenstuben gegen Ende Juli und Anfang August langsam auf12.

Herbst
Im Spätsommer und Herbst findet in der Regel die Paarung statt. Fledermausmännchen besetzen dann sogenannte Paarungsreviere oder Paarungsquartiere, welche sie ständig befliegen. Die Weibchen werden von dort aus für die Begattung in die Quartiere gelockt oder verfolgt. Die Befruchtung findet dann nicht während des Fliegens, sondern je nach Art beispielsweise an Baumstämmen, Häuserwänden oder in den Paarungsquartieren statt.3
Dabei unterscheiden sich diese meist nicht von den Tagesquartieren2. Zudem kann die Paarung bis zum Frühjahr ebenfalls in den Überwinterungsquartieren stattfinden.3

Die Paarungszeit im Herbst beinhaltet auch das sogenannte Schwärmen vor beispielsweise Höhlen oder Stollen. Die dafür aufgesuchten Orte können dann Schwärmquartiere genannt werden.5
Das Schwärmen könnte dabei folgende, sich nicht gegenseitig ausschließenden Ursachen haben:

Schwarmhöhlen könnten die Treffpunkte für Balz und Paarung sein, das Schwärmen könnte der Voraberkundung von Winterquartieren dienen. Dabei kann es vor allem für unerfahrene Jungtiere hilfreich sein zu lernen, wie man geeignete Orte für den Winterschlaf findet.
Außerdem könnten Schwärmquartiere durch das jährliche Besuchen Fixpunkte in der Landschaft bilden. Das gilt auch dann, wenn dort der Winterschlaf selbst nicht abgehalten wird.
Zudem könnten sie für die soziale Informationsübertragung genutzt werden, indem sich dort über potenzielle Winterquartiere ausgetauscht wird. Es gibt jedoch auch Arten, welche erst im Frühjahr balzen und schwärmen, wie das Braune Langohr (Plecotus auritus).1

Im September und Oktober fressen die Fledermäuse sich das Fett für den Winter an.
Zuvor hat es sich nicht gelohnt, Reserven anzulegen, da der Flug energieeffizienter ist desto leichter die Fledermaus.
Ein Wasserfledermausmännchen (Myotis daubentonii) beispielsweise wiegt im Sommer zwischen 7 und 8 Gramm. Es baut dann im Herbst ein Körpergewicht von 12 bis 13 Gramm auf, von dem es wiederum ein Drittel seiner Masse, also 4 bis 5 Gramm, über den Winter verstoffwechselt.5
Nach Einbruch der kälte beginnt der Zyklus von Neuem. Hier findet Ihr eine übersichtliche Grafik dazu.

Exkurs Fortpflanzung

Europäische Fledermäuse gebären zwar im Jahr meist nur ein oder zwei Jungtiere3, dabei können einige Arten vermutlich aufgrund des geringen Feinddrucks über 30 Jahre alt werden5. Die tatsächliche, durchschnittliche Lebenserwartung liegt je nach Art mit zweieinhalb bis viereinhalb Jahren jedoch deutlich darunter2.
Ein besonderes Merkmal bei der Fortpflanzung der Fledermäuse ist, dass die Spermien eine sehr lange Lebensfähigkeit im Vergleich zu anderen Säugetieren haben. Diese wird durch verschiedene Mechanismen sichergestellt: Bei Arten der gemäßigten Breiten beispielsweise findet der Eisprung und die Befruchtung der Spermien erst nach dem Winterschlaf statt, nachdem diese in der Gebärmutter aufbewahrt wurden.1 Bei den Langflügelfledermäusen (Miniopterus) hingegen ist die Entwicklung der befruchteten Eizelle verlängert, sodass sie den Winterschlaf über anhält und ebenso erst im Frühjahr die Geburt geschieht.5 Somit gibt es direkt nach dem Aufwachen keinen Zeitdruck bezüglich der Partnersuche und die Jungtiere können alsbald im Warmen aufgezogen werden.1

Fledermaus-Frage-Feld

Wie viele Fledermausarten wurden bisher in Deutschland und Sachsen nachgewiesen?
Worin liegt der Unterschied im Speiseplan der Fledermäuse der gemäßigten Breiten und denen der Tropen?
Welche Strukturen zählen zu den Jagdgebieten der mitteleuropäischen Fledermäuse?
Was bedeutet der Begriff "Torpor"?
Bauen Fledermäuse Nester? Wo wohnen Fledermäuse, welche Umgebungen besiedeln sie vor allem?
Welche Funktionen brauchen die Unterkünfte von Fledermäusen?
Welche Schritte im Jahreszyklus der Fledermäuse können beispielsweise in einer einzigen Kirche stattfinden? Welche Bedingungen muss ein Fledermausquartier im Winter bieten?
Was machen Fledermausweibchen im Frühling, was machen die Männchen in der Zeit?
Warum schwärmen Fledermäuse?
Wann fressen sich Fledermäuse Winterspeck an und warum zu diesem Zeitpunkt?
Wann paaren sich Fledermäuse und warum sind sie nicht zum selben Zeitpunkt schwanger?