Fakultät Landbau/Umwelt/Chemie

Acker mit Strommast
M. Jentzsch

Zur Bedeutung von Restflächen und Kleinstrukturen für die biologische Vielfalt und den Biotopverbund in der Agrarlandschaft

Mit einfachen Mitteln etwas gegen das Artensterben tun? Was spielen Strommasten dabei für eine Rolle? Die Ergebnisse eines Forschungsprojektes an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden liefern Antworten.

Projektzeitraum 2021-2024

Hintergrund

Die letzten Jahre haben eine bedenkliche Entwicklung hervorgebracht, die die Landwirtschaft und die Natur gleichermaßen betrifft: ein dramatisches Artensterben. Der Verlust an Biodiversität ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit, und die Landwirtschaft trägt ihren Teil dazu bei. Die intensive Landnutzung oder die Umwandlung von Naturland in Ackerflächen haben starke Auswirkungen auf die Vielfalt der Arten in unseren Ökosystemen. Der Druck auf Flächenverfügbarkeit ist heute größer als jemals zuvor. Dies erfordert neue und innovative Lösungsansätze diese entgegensetzten Nutzungsansprüche miteinander zu vereinen oder zumindest kompromissfähig zu machen.

Eine Agrarlandschaft besteht aber nicht nur aus Feldern, sondern auch aus unbewirtschafteten Restflächen, wie z.B. Feldraine, Geländekanten, Bauminsel, Standflächen von Windkraftanlagen oder Flächen unter Strommasten (Mastfußflächen), die auch das Potenzial haben einen Beitrag zur Verbesserung der Biodiversität zu leisten. 

Je nach Größe der Masten stehen sie auf einer Fläche von etwa 2 bis 100 m2. Aktuell verlaufen etwa 650.000 km Mittel- und Hochspannungsleitungen quer durch Deutschland und das bedeutet in etwa über 2 Mio. Strommasten. Aufgrund der verstärkten Nutzung von regenerativem Strom ist hier ein weiterer Ausbau fest in Planung. 

Untersuchungsgegenstand

Im Fokus des Forschungsprojektes standen 15 Strommasten in Mittelsachsen. Es wurden die vorkommenden Pflanzen bestimmt, Biotope kartiert, Insekten mit Hilfe von Gelbschalen und Keschern gefangen sowie Wildtierkameras eingesetzt. Zum Vergleich standen ebenfalls Gelbschalen in etwa 100 m Entfernung im Acker. Der Zeitraum umfasste Mai bis August 2022.

Ergebnis der Insektenbestimmungen – man sieht einen deutlichen Unterschied

Im Labor wurde das Gewicht der Fänge ermittelt. Dabei stellte sich heraus, dass der Fangumfang unter den Masten deutlich höher war, als der im Acker: im Durchschnitt um ein Drittel mehr. Bei insgesamt fast 5000 gefangenen und bestimmten Insekten kommen hier vor allem Käfer, Wildbienen, Wanzen und Fliegen (Dipteren) vor. Bei den Wanzen ist zu erwähnen, dass es sich zumeist um Arten handelt, die ihr ganzes Leben an nur einer Wildkraut-Art verbringen und somit den Bereich der Mastfußfläche nicht verlassen. 

Bei den Wildbienen war zu beobachten, dass sie offene Bodenbereiche an den Rändern des Strommastes für ihre Nester nutzen. Dazu haben sie kleine Löcher in den Boden gegraben aus denen hin und wieder eine von insgesamt 56 gefundenen Wildbienenarten ein- und ausflog.

Ergebnis im Landschaftskontext –erste Hinweise zur Biotopverbindung

Die Kosten-Distanz-Analyse liefert ein visuelles Verbindungsnetzwerk mit den kostengünstigsten Pfaden, d.h. welche für eine Art am besten zu überwinden ist. In drei von 15 Landschaftsausschnitten zeigten sich für vier von fünf ausgewählten Arten kostengünstigere Pfade unter Verwendung der Masten als Trittstein. Es zeigte sich ein positiver Trend bei Einbezug der Masten für die Konnektivität der Landschaft, d.h. für die Verbindung von Biotopen. Die Untersuchungen lieferten damit Hinweise auf einen positiven ökologischen Wert von Mastfüßen in der Agrarlandschaft.

Grundgedanken zur Potentialsteigerung – Trittsteine mit Verbindung

Auf einer solchen Mastfußfläche tut sich also um einiges mehr als auf dem umgrenzenden Feld. Auf Naturflächen außerhalb von Ackerstandorten ist aber die Artenvielfalt noch deutlich größer. Wie könnte nun das Potenzial der Mastfußflächen gesteigert werden um eine ähnliche Biodiversität wie auf Naturflächen zu erreichen? Im Rahmen des Projektes kamen deshalb erstmalig zwei neue Maßnahmen zum Einsatz. Zum einen sollte auf drei Mastfußstandorten eine Blühmischung eingebracht werden. Zum anderen wurde bei den am Projekt-beteiligten Landwirten angefragt, ob sie einen Blühstreifen vom Mast zum Ackerrand bzw. von Mast zu Mast angelegen könnten. Damit sollten die Trittsteine, also die Mastfußflächen, untereinander verbunden werden, so dass ein Biotopverbundsystem entstehen kann. Damit würde es z. B. für mobile Tierarten leichter werden, die teilweise sehr großen Ackerflächen zu queren. Gleichzeitig würde für Insekten und andere Kleinlebewesen die Nahrungsfläche vergrößert werden.

→ Für weitere Informationen zum Ablauf siehe hier

Vorteile der Maßnahmen

Warum mitten durch die Mitte und nicht wie gewohnt am Rand?

Folgende Vorteile ergeben sich aus der Blühstreifenmaßnahme: Zum einen ist hinreichend bekannt, dass Blühstreifen das Artvorkommen von Insekten deutlich steigern. Damit wird die Bestäubungsleistung erhöht, in dem Arten, wie Bienen, Hummeln, etc. links und rechts in den Acker ausschwirren. Das nützt natürlich nur bei zweikeimblättrigen Ackerkulturen.

Aber es werden auch Insekten gefördert, deren Larvenstadium sich überwiegend von Blattläusen ernähren. Erwähnt seien hier die Schwebfliegen. Sie können somit helfen den Schädlingsdruck in den Ackerschlägen niedriger zu halten. Auch andere Studien weisen das zahlreichere Vorkommen von Nützlingen in Blühstreifen sowie andere positive Effekte nach. 

Viele Ökosystemleistungen lassen sich von ihnen ableiten, darunter die Bereitstellung von Lebens-, Reproduktionsraum, Nahrung und Schutz für vielerlei Arten, Pufferfunktion und die Minderung von Wind- und Wassererosion. Gleichermaßen wird die landwirtschaftliche Produktion unterstützt aufgrund der natürliche Schädlingskontrolle durch die Begünstigung von Nützlingen und der erhöhten Bestäubungsleistung.

Und was hat man als Landwirt selbst davon? 

Aufgrund der Tatsache, dass ohnehin Greening Maßnahmen durchzuführen sind – sowie besagte Mastfußflächen ohnehin ein Hindernis in der Bewirtschaftung darstellen, liegt nahe, diese beiden Gegebenheiten miteinander zu kombinieren. Eine weitere Kombinationsmöglichkeit könnten andere erschwert zu bewirtschaftende Flächen sein.

Die Anlage eines Blühstreifen mittig in einem Feld erhöht die Strukturvielfalt sehr großer Ackerschläge und bringt auf diese Weise die genannten Vorteile nicht nur in die Ränder der Äcker ein, sondern auch in die zentralen Bereiche. Und das mit geringen oder keinem Mehraufwand für die Landwirte.

Merke

Strommasten als vorhandene technische Elemente der Landschaft bilden mit geeigneten Maßnahmen ein Potential für den Artenschutz und Biotopverbund.